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27. Mai 2011

CD Neuerscheinung mit Klavierwerken von Reinhold Glière

Am 1. Juni erscheint eine neue CD unseres Mitgliedes Corinna Simon mit Klavierwerken von Reinhold Glière.

Reinhold Glière: Mehr als klassischer Pop, Ballett und Koloratur

Der Russische Komponist Reinhold Moritzevich Glière (1875–1956) ist vor allem für seine prahlerischen Tänze und extrovertierte Partituren mit spritzigen Effekten – so wie im Ballett „Der rote Mohn“ und dessen wildem Seemannstanz – seine epische Sinfonie No. 3 „Ilya Muromets“ und sein recht surrealistisches „Konzert für Koloratursopran & Orchester, Op. 82“ bekannt. Letzteres klingt wie das hörbare Gegenstück eines im Regen vergessenen, überreichlich verzierten Brautkleids.

Glière ist das Beispiel eines sowjetischen Komponisten, der unter dem Regime Stalins gut gedieh, zum Teil, weil die harsche Führung der UDSSR Künstler in eine Richtung drängte, die Glière sowieso als die seine wahrnahm.
Um Folklore zu erforschen, akzeptierte Glière bereitwillig, was ein urbanerer Komponist als grausames inneres Exil angesehen hätte; 1923 reiste Glière auf Einladung des Aserbaidschanischen Kommissariats für Bildung nach Baku, um den „Prototyp einer Aserbaidschanischen Nationaloper“ zu komponieren.
Das entstandene Werk, Glières „Shakh-Senem“, wird auf lokaler Ebene immer noch geschätzt und tatsächlich kehrte Glière 1929 zu einem weiteren Aufenthalt nach Aserbaidschan zurück.

Glière konzertierte auch in Sibirien, quälte sich in den 1930ern freiwillig in Usbekistan als „musikalischer Entwicklungshelfer“ und schuf gemeinsam mit Usbekischen Komponisten Stücke.
Glière verhielt sich durchgehend wie ein begeisterter russischer Nationalist, ähnlich dem Pianisten Sviatoslav Richter, der sich Jahre später dazu entscheiden sollte, die abgelegenen Regionen Russlands zu bereisen und dort aufzutreten – aus Liebe zu den bodenständigen Menschen.
Einige Schriftsteller haben versucht, Glières mutmaßlichen Status als Vertreter einer Gegenkultur aufzubauschen, was sogar soweit ging, dass manche behaupten, Glière würde einer jüdischen Familie aus Belgien entstammen (!). Einmal abgesehen von diesen ethnischen Falschzuordnungen hat Glières energisch, folkloristisches Orchesterwerk leider seine gekonnten, intimeren Stücke überschattet.

Zu Glières am meisten unterschätzten Kompositionen zählen seine Kammermusik (er schrieb einige Quartette die es verdienen, mit ihrem Melodienreichtum neben denen von Borodin zu stehen) und vor allem seine Klaviermusik.
Glières mitreißende und verdichtete Klavierstücke, wie sie auf der vorliegenden CD versammelt sind, erlauben im Kleinen einen Blick auf die gewaltigen Denkprozesse des Komponisten zu werfen. Ihre geballte Energie ist in gewisser Weise mit der verdichteten Kraft von Johannes Brahms Klavierversionen seiner Sinfonien und Chorwerke zu vergleichen. Glières Werke für Piano sind unterschwellig graziös.

Die Werke auf dieser CD sind – mit Ausnahme von „Eight Easy Pieces op. 43“ und „Twelve Sketches“ op. 47 – zwischen 1905 und 1908 entstanden. In dieser Zeit lebte Reinhold Glière in Berlin und studierte bei Oskar Fried Komposition. Einige der Stücke, wie die Prèludes op. 30, zählen zu den virtuosesten Kompositionen der Klavierliteratur.
Text: Benjamin Ivry

CORINNA SIMON

Corinna Simon wurde in Berlin geboren. Ersten Klavierunterricht erhielt sie im Alter von fünf Jahren.
Mit zwölf Jahren begann sie die Klavierausbildung als Jungstudentin am Julius-Stern-Institut in Berlin. Nach dem Studium an der Hochschule der Künste bei Professor Ingeborg Wunder wechselte sie 1987 an die Musikhochschule München zu Professor Ludwig Hoffmann.
Meisterkurse bei György Sebok, Maria Curcio, Halina Czerny-Stefánska, Malcolm Frager und Karlheinz Kämmerling ergänzten ihre Ausbildung. 1984 hatte sie ihr Solo-Debut in der Berliner Philharmonie.
Darauf folgte eine ausgedehnte Konzerttätigkeit. Engagements führten sie nach Wien, Paris, Stockholm, Oslo, Brüssel und zu den Luzerner Festwochen, sowie nach Südostasien und in die USA, wo sie in Washington, New York und San Francisco gastierte.
Sie hat mit bekannten Dirigenten wie Jakov Kreizberg, Walter Weller, Christóbal Halffter, Marc Piollet, Lior Shambadal, Lukas Karytinos und Hans Werner Henze zusammengearbeitet. 2010 hatte sie größten Erfolg mit einem Soloprogramm mit Werken zeitgenössischer deutscher Komponisten, das sie anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der Deutschen Einheit in vielen europäischen Ländern und in den USA aufführte.
Zahlreiche Klavierwerke von Reinhold Glière entdeckte Corinna Simon gemeinsam mit dem Musikwissenschaftler Dr. Klaus Martin Kopitz in der Staatsbibliothek zu Berlin. «Trois morceaux op. 19», «Trois morceaux op. 21», «Six morceaux op. 26» und «Eight Easy Pieces op. 43» sind Erstveröffentlichungen auf CD.
Corinna Simon leitet in Berlin eine Klavierklasse für hochbegabte Jugendliche. Viele ihrer Schüler sind sehr erfolgreiche Profimusiker geworden, darunter Sophie Mautner und Martin Helmchen.

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