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5. August 2013

Angriff auf die Künstlersozialversicherung durch Arbeitgeberverbände

In einem offenen Brief haben Vertreter der Versicherten im Beirat der Künstlersozialkasse (KSK), darunter Ines Stricker als Vertreterin des DTKV, die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Dr. Ursula von der Leyen, dringend gebeten, eine Steuerung des Projekts "Optimiertes Meldeverfahren in der Sozialversicherung (oms)" sicherzustellen, die dem vom Ministerium proklamierten politischen Ziel, die Künstlersozialversicherung zu stabilisieren, Rechnung trägt.

Bereits seit Anfang 2012 wird dieses Projekt unter maßgeblicher Beteiligung der Arbeitgeberverbände von der Informationstechnischen Servicestelle der Gesetzlichen Krankenversicherung GmbH (ITSG) hinter verschlossenen Türen vorangetrieben. So ist es der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) gelungen einen “Optimierungsvorschlag” im Projekt unterzubringen, der mit den Meldeverfahren in der Sozialversicherung nichts zu tun hat, aber geeignet wäre, die Künstlersozialversicherung (KSVG) insgesamt zu gefährden: Danach sollte die Künstlersozialabgabe nicht mehr von den Auftraggebern der Künstler und Publizisten an die Künstlersozialkasse abgeführt werden. Vielmehr soll es Sache der Künstler und Publizisten selbst sein, ihren Auftraggebern diese Abgabe (quasi des Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung) in Rechnung zu stellen und an die KSK abzuführen. Diese Pflicht zum Inkasso von Beiträgen soll nach den Vorstellungen der BDA alle Künstler und Publizisten treffen, nicht nur die nach dem KSVG versicherten.

Als Vorschlag zum Abbau von Bürokratie ist das Verfahren offensichtlich untauglich, weil es zu einer drastischen Steigerung der Melde- und Abrechnungsvorgänge führen wird. Es geht vielmehr darum, die Durchsetzung des bisher von den Auftraggebern der KSK geschuldeten Beitragsanteils Künstlern und Publizisten zu überantworten. Da diese absehbar – wie Erfahrungen mit der Fassung des KSVG aus dem Jahr 1983 beweisen – dazu nicht oder nur selten in Lage sein werden, ist mit einem weitgehenden Ausfall des Beitrags der Auftraggeber zur Künstlersozialversicherung zu rechnen. Es geht sichtlich nicht um Bürokratiekosten, sondern um einen frontalen Angriff auf das Finanzierungssystem der Künstlersozialversicherung.

Deshalb sollte die Bundesministerin von der Leyen auch die Instrumentalisierung des Projekts oms für sachfremde Ziele der BDA unverzüglich stoppen.

Quelle: Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di, Pressemitteilung vom 2.8.2013

Der Brief im Wortlaut:

Offener Brief an

Frau
Bundesministerin
Dr. Ursula von der Leyen
11017 Berlin

per Mail
2. August 13

Sehr geehrte Frau Ministerin Dr. von der Leyen,

besorgt – und einigermaßen konsterniert – wenden wir uns als Versichertenvertreter im Beirat der Künstlersozialkasse an Sie.

Anlass ist das Projekt „Optimiertes Meldeverfahren in der Sozialversicherung (oms)“, das sich auch mit einem von der BDA eingebrachten „Optimierungsvorschlag“ zur Künstlersozialversicherung befasst (OV-ID 107-2).
Dieser Vorschlag wird im Projekt seit bald einem Jahr beraten und zielt darauf ab, nicht nur das Meldeverfahren, sondern auch die Zahlungswege im Zusammenhang mit der Künstlersozialabgabe komplett auf den Kopf zu stellen: Danach würde die Künstlersozialabgabe nicht mehr von den Auftraggebern der Künstler und Publizisten an die Künstlersozialkasse abgeführt, vielmehr wäre es Sache der Künstler und Publizisten selbst, ihren Auftraggebern diese Abgabe (quasi der Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung) in Rechnung zu stellen und an die KSK abzuführen. Diese Pflicht zum Inkasso von Beiträgen soll nach den Vorstellungen der BDA alle Künstler und Publizisten treffen, nicht nur die nach dem KSVG versicherten.

Dieser Vorschlag mag ja – aber schon das erscheint zweifelhaft – den „Bürokratieaufwand“ bei den abgabepflichtigen Unternehmen „verringern“, wie die BDA meint, sicher ist aber, dass genau dieser Aufwand bei allen Künstlern und Publizisten anfällt. Wir sind außerordentlich irritiert darüber, dass solche als „Optimierung“ ausgegebenen Pläne zur Umverteilung von Lasten im Projekt überhaupt behandelt werden.
Dass dies ausschließlich unter Beteiligung der davon potenziell Begünstigten (Gesamtmetall, Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie, VCI), aber ohne Beteiligung der betroffenen Künstler und Publizisten geschieht, ist mehr als befremdlich und widerspricht jeglichen demokratischen Grundsätzen. Angehört wurden Vertreter der Versicherten aus dem Beirat der KSK erst und ausschließlich, als der abstruse Vorschlag der BDA in die Kostenprüfung ging, denn da wurden sie als Datenlieferanten benötigt.

Jedenfalls im Hinblick auf die Künstlersozialversicherung müssen wir dem Projekt einen recht einseitigen Blick auf die zu untersuchenden Sachverhalte vorwerfen, der wissenschaftlichen Standards komplett entgegenläuft.
Solche unverzeihlichen Fehlleistungen des Projektmanagements dürfen in Zukunft nicht mehr vorkommen.
Bitte stellen Sie das sicher, sehr geehrte Frau Bundesministern.

Als Vorschlag zum Abbau von Bürokratie ist das von der BDA vorgeschlagene Verfahren offensichtlich untauglich, weil es zu einer drastischen Steigerung der Melde- und Abrechnungsvorgänge führen wird. Dazu mag ein Hinweis vorerst genügen: Es wird angenommen, dass allein in Deutschland etwa 1,7 Millionen Menschen in Kreativberufen tätig sind, darunter rund 180.000 nach dem KSVG Versicherte. Ob die erstgenannte Zahl realistisch ist, mag offen bleiben. Sicher ist aber, dass allein die Überprüfung, wer nun zum Einzug und zur Abführung der Künstlersozialabgabe verpflichtet ist, die Künstlersozialkasse vor ein unlösbares Problem stellen würde. Umgekehrt wurde übrigens ein Vorschlag der KSK zur Prüfung vereinfachter elektronischer Meldeverfahren vom Projekt nicht berücksichtigt. Das deutet auf eine eher problematische Prioritätensetzung hin.

Es geht der BDA sichtlich darum, die Durchsetzung des bisher von den Auftraggebern der KSK geschuldeten Beitragsanteils Künstlern und Publizisten zu überantworten. Da diese absehbar – wie Erfahrungen mit der Fassung des KSVG aus dem Jahr 1983 beweisen – dazu nicht oder nur selten in der Lage sein werden, ist mit einem weitgehenden Ausfall des Beitrags der Auftraggeber zur Künstlersozialversicherung zu rechnen. Es geht sichtlich nicht um Bürokratiekosten, sondern um einen frontalen Angriff auf das Finanzierungssystem der Künstlersozialversicherung und damit auf einen Teil der gesetzlichen Sozialversicherung.

Wir glauben, dass dies nicht mit der Politik Ihres Hauses in Einklang steht, zumal das BMAS ja kürzlich den Einzug der Künstlersozialabgabe durch eine flächendeckende und kontinuierliche Überprüfung sicherstellen wollte. Es ist bedauerlich, dass dieser Gesetzentwurf im Bundestag keine Mehrheit fand; das Parlament wird sich damit aber nach der erfolgreich eingebrachten Petition des Deutschen Tonkünstlerverbands erneut befassen müssen. Schon deshalb wäre es kontraproduktiv, wenn sich das Projekt oms dem Ansinnen der BDA weiter zuwenden würde.

Wir bitten Sie, sehr geehrte Frau Dr. von der Leyen, dringend, die Instrumentalisierung des Projekts oms für sachfremde Ziele der BDA unverzüglich stoppen. Stellen Sie bitte eine Steuerung des Projekts sicher, die dem vom Ministerium proklamierten politischen Ziel, die Künstlersozialversicherung zu stabilisieren, Rechnung trägt.
Für ein Gespräch und weitere Erläuterungen stehen wir Ihnen jederzeit gern zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Gerhard Pfennig
Vorsitzender des Beirats für die Versicherten
Deutscher Künstlerbund / VG Bild – Kunst

Annemarie Helmer-Heichele
Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler e.V.
Mohrenstr. 63
10117 Berlin

Ines Stricker
Deutscher Tonkünstlerverband e.V.
Alte Poststr. 9f
94036 Passau

Michael Hirschler
Deutscher Journalisten-Verband
Bennauerstraße 60
53115 Bonn

Alexander Opitz
Bundesverband Freier Theater e.V.
Mariannenplatz 2
10997 Berlin

Wolfgang Schimmel
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
Turnerstraße 5
72119 Ammerbuch

Hier finden Sie außerdem zum Herunterladen die detaillierte Stellungnahme des Deutschen Journalistenverbandes zu dem Vorgang.

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